Beim Losfahren müssen wir anerkennen, dass die Geräusche, die der Motor macht, nicht länger zu ignorieren sind. Wir hatten gestern schon eine E-Mail an Kiwi geschickt, aber noch keine Antwort erhalten.
Paul (unser Camper-Buchungskontakt in Deutschland) meldet sich und bietet Hilfe an. Wir beschreiben den Fehler so gut wir können („röhrendes Geräusch“…), schicken Fotos und zum Schluss eine Tonaufnahme. Er versucht Kiwi zu erreichen. Es zieht sich aber bis er jemanden an den Hörer bekommt.
Gegen 11 Uhr kann er uns dann eine Adresse einer Werkstatt nennen. „Sie erwarten nun einen Matthias mit großem Wohnmobil und einem roaring noise :)“ Wir fahren direkt hin.
Die Werkstatt liegt am Rande von Wanaka in einer Industriestraße und ist bei weitem nicht so nett wie die in Oamaru. Im Vorraum sitzt die Sekretärin, vor ihr schläft ein Rottweiler-Riese… einladend… Wir erhalten kurze Kommandos, u.a. sollen wir den Wohnwagen verlassen und hier warten. Mit „Hier“ ist der überhitzte Vorraum mit dem Rottweiler gemeint.
Der Mechaniker schaut mit mir unter die Motorhaube, startet den Motor und meint dann „maybe the exhauster…“ Ah ja, der Auspuff. Er fährt den Wagen in die Halle außerhalb unserer Sichtweite. Wir warten… in der Hitze… wir stellen uns die Stühle vor die Tür… da ist es auch nicht besser, da die Sonne direkt auf uns scheint… Grit liest Hanna den „Kleinen Prinzen“ vor (ein englisches Exemplar liegt in der Spieleecke des Wartezimmers).
Nach ca. einer Stunde kommt der Mechaniker zurück und spricht mit der Sekretärin… diese telefoniert… dann eine Zwischenmeldung: „…irgendwas an der Abgasrückführung… muss geschweißt werden… können wir hier nicht… versuchen eine andere Werkstatt im Umkreis zu finden, die das heute (Freitag, ca 13 Uhr) noch macht…“ super Aussichten …
Irgendwann reicht uns die Rezeptionistin den Telefonhörer rüber… Es ist ein Tim von Kiwi Campers am Apparat… Kurz zusammengefasst: wir bekommen einen Austauschwagen 😯🙄
Der wird uns aus Christchurch nach Wanaka gebracht. Da es jetzt 13 Uhr ist, wird der Fahrer gegen 19/20 Uhr bei uns sein… Wir müssen wie bei einer finalen Rückgabe tanken, Wasser ablassen, dumpen, alle Sachen packen… das wird unseren Nachmittag also bestimmen und wir werden eine weitere Nacht in Wanaka verbringen.
Wir fahren zum Campground in die Stadt, wo wir vorgestern schon standen. Es nieselt und Grits mühsam gespannte Wäscheleine ist für die Katz. Wir gehen kurz in die Stadt, haben aber erneut kein Glück, eine Wanderhose für Hanna zu finden. Drei Läden schicken uns zum jeweils nächsten… ermüdend… da muss ein Eis drauf gegessen werden…
Dann heißt es packen, packen, packen… im zunehmenden Regen… Es ist komisch, alles zusammen zu sammeln. Abschiedsgefühle, auch wenn wir nur umziehen, kommen ein wenig auf.
Wir warten dann draußen vor dem Zeltplatz auf den „Neuen“. Um halb acht parkt ein Wagen direkt neben uns im Regen. Fensterscheiben werden runtergekurbelt … Wie in einem Film …
Ein freundlicher älterer Herr stellt sich als Collin vor. Wir stellen die Wagen Tür an Tür und laden unsere Sachen einfach hinüber. Bei dem Regen auch das beste. Wir übernehmen einen identischen Wohnwagen, der im Gegensatz zu unserem jetzigen wieder blitzblank sauber ist. Wir danken Collin mit einer Schokolade („Das ist meine Lieblingsschokolade…“). Der Arme muss jetzt mit dem kaputten Wohnwagen die 6 h wieder zurück nach Christchurch… Die bergige Strecke zieht sich ziemlich und man darf maximal 90 km/h mit dem Ding fahren…
Apropos Christchurch: beim Packen erhalten wir eine besorgte Nachfrage von meinem Bruder via Threema… mit einem Link zu Spiegel Online… Ein beklopptes Arschloch hat in einer Moschee in Christchurch um sich geschossen… so ein Attentat gab es vorher noch nie in Neuseeland… Jetzt also auch am vermeintlichen Ende der Welt… Collin ist kurz vor dem Anschlag aus Christchurch rausgefahren… Seine drei Kinder und seine Frau konnte er erreichen: die Stadt ist im Ausnahmezustand und im lockdown (wie damals beim Anschlag auf den Boston Marathon). Collin weiß noch nicht, ob er nach den 6 h Fahrt wieder nach Haus darf… furchtbar. Und die Zahl der Toten steigt von anfangs neun auf ca. vierzig…
Wir wollen nach diesem Tag abschalten und gehen ins Kino. Das „Cinema Paradiso“ ist fußläufig erreichbar, hat einen Saal mit bunt zusammengewürfelten Sitzen und Couchen. Sogar in zwei Oldtimern kann man sitzen und den Film verfolgen. Sehr angenehmes, entspanntes Ambiente. Wir haben vorab noch schnell zum Thema FSK gegoogelt. Die Einstufung ist hier nicht strikt nach Alter. Wir wollen „Captain Marvel“ schauen, der ein „M“ bekommen hat. Das bedeutet, der Film hat „mittelschwere“ Inhalte und Eltern sollen Erklärungen beisteuern.
Also noch Schoki und Getränke gekauft (Popcorn gibt’s hier nur salzig) und rein ins Marvel Universum für die nächsten zwei Stunden… Hanna lacht laut an mehreren Stellen und fragt alle drei Minuten recht laut „Was hat er gesagt?“ oder „Was passiert als Nächstes?“ 😀
Es gibt sogar eine Filmpause zum „Auftanken“… ich hatte vorab davon gelesen und wir holen uns die angepriesenen warmen und leckeren Kekse.
Es regnet immer noch als wir das Kino verlassen. Hanna hat viel zu berichten und noch einige Fragen zum Film. Sie erzählt, was sie am Lustigsten fand, aber auch was sie verängstigt hat (z.B. die leuchtenden Augen von Captain Marvel in einer Szene). Es war gut und irgendwie erdend, mit ihr hierüber zu sprechen – während 500 km entfernt ein ganz anderer Irrsinn tobte…
Müde schlafen wir im neuen Wohnwagen schnell ein, umgeben von all unseren Taschen und Tüten und… die können bis morgen warten.