Es gibt einen Spruch, der geht so ungefähr: „Alles Gute muss auch ein Ende haben.“ Auf der Zielgeraden unserer Reise saugen wir daher alles noch einmal ganz besonders intensiv auf, ist mein Eindruck.
Vor ca. einer Woche zeichnete sich ab, wo wir die letzten Tage verbringen werden. Dabei wurde auch deutlich, dass wir einen Tag „übrig“ haben werden. Also haben wir uns überlegt, die Route so zu legen und zu zwei Orten zu fahren, die am Karfreitag noch mit Menschen und Autos überfüllt waren: der Karangahake Gorge und die Wairere Falls.
Als ich das zum ersten Mal auf der Landkarte sah, dass es möglich sein würde, diese beiden Orte ohne unnötigen Stress zu besuchen, habe ich mich gefreut. Es gibt mir ein Gefühl von Closure, Vollständigkeit und Zufriedenheit. Wir werden (für uns) alles Wesentliche und Schöne gesehen haben. Kein Eindruck von „Mist, dass wir nicht das gesehen/gemacht… haben.“ Entspannung pur…
Nach dem gestrigen Regenschauer scheint die Sonne am Morgen und gibt den Auftakt für einen tollen Tag.
Auch beim Frühstück macht sich bemerkbar, dass unsere Reise bald endet. Das Porridge wird in Ermangelung an Bananen mit der letzten Marmelade gestreckt 👩🍳. Unsere nicht verbrauchten Konserven und Reste stellen wir in die dafür vorgesehene Ecke der Campingplatzküche. Auf dass sich noch jemand anderes daraus was Leckeres zubereitet. Wir benötigen davon nichts weiter, da wir bei unserer heutigen privaten Unterkunft das letzte Abendbrot und Frühstück mitbestellt haben.
Die Mädels haben gestern Abend noch geduscht. Ich springe schnell nach dem Frühstück unters Wasser. In drei Tagen wird uns wohl erst wieder eine Dusche vergönnt sein… Zu Hause dann!-)
Wir rollen etwas später zum letzten Mal von einem neuseeländischen Campingplatz.
In den letzten Wochen haben wir verschiedene typisch neuseeländische Motive immer wieder gesucht und fotografiert. Das meiste haben wir auch vor die Linse bekommen (u.a. gestern den Underpass, ein Tunnel für Kühe unter der Straße durch). Was uns noch fehlt, ist ein Schild mit der Aufschrift „Homekill“, einer Dienstleistung, die Tiere im heimischen Hof zu schlachten. Hatten wir diverse Male gesehen, aber nicht fotografiert. Heute ist die letzte Chance!
45 Minuten später fahren wir auf den diesmal fast leeren Parkplatz des Karangahake Gorge. Geht doch 😁. Hanna zählt seit Tagen ihren eigenen Countdown runter bis zur Heimfahrt. Wir locken sie mit der vorletzten Wanderung in Neuseeland und zu entdeckenden Tunneln aus dem Wohnwagen.
In den Felsen der Schlucht wurde vor Jahren Gold abgebaut. Das Tunnelsystem ist in Teilen noch begehbar. Mehrere Wanderwege führen vom Parkplatz weg. Wir haben uns für den „Windows Walk“ entschieden, der uns zwei Kilometer lang in die Zeit des Goldabbaus zurückversetzt. Wir wandern auf den alten Schienen lang, tasten uns in einem stockfinsteren Tunnel mit Stirnlampe ausgestattet voran und schauen durch die in dem Tunnel eingelassenen Öffnungen (Windows) in die Schlucht hinab. Über eine Brücke gehen wir im Anschluss die Schlucht entlang des Flusses im Hellen zurück. Kind ist begeistert gewesen, wir auch.
Auf dem Rückweg zum Parkplatz m Karangahake Gorge kommen wir an einem Stand der „Zeugen Jehovas“ gefüllt mit bunten Zeitschriften vorbei. Hanna hatte ein Heft davon eingesteckt, das die Evolutionsgeschichte mit vielen wissenschaftlichen Zeichnungen widerlegen möchte. Sie guckt sich im Wohnwagen unterwegs alles genau an und ich erkläre ihr möglichst neutral, worum es geht. Sie überlegt… „War ich auch mal ein Affe? Oder Du?“ Mama: „Nein, unsere Vorfahren waren Affen, vor zig Tausenden von Jahren.“ „Schade!“ (… Tja… meine Tochter!-) Nach dem nächsten Stop: „Ich lese mein Comic weiter!“ (;-)
Die letzte größere Bewegungsaktivität für die nächsten Tage wartet auf uns bei den Wairere Falls. Knapp eine Stunde führt uns ein mit vielen kleinen und großen Steinen gesäumter Weg stetig bergauf, unterbrochen von Treppen und Brücken. Der Lohn der Kletterei ist der Blick auf den mit 153 Metern höchsten Wasserfall Neuseelands.
Das Kind wächst. Sie hatte häufiger nachts schmerzende Beine. So auch letzte Nacht. Grit hatte sowas als Schulkind auch. Beim Abstieg tun ihr abwechselnd die Beine weh. Ob vom Wachstum oder geflunkert, wissen wir nicht. Aber es überzeugt mich, dass ich sie für einen kurzen Teil der Strecke huckepack nehme. Den Rest des Weges wird sie in Gespräche verwickelt und abgelenkt. Nach 1:45 h sind wir wieder am Auto. Zufriedenheit. Frische Luft, Sonne, gestreckte Beine.
Jetzt beginnen für uns die Abreisevorbereitungen: in Matamata spritzen wir den Wohnwagen vom Dreck und Staub frei, tanken, holen das letzte Bargeld.
Selbstverständlich gehen wir zur iSITE, die einem Hobbithaus nachempfunden ist. Das Kind weiß noch nicht, was wir morgen früh zum Abschluss unserer Reise noch machen werden 😉😊.
Unsere letzte Nacht verbringen wir auf dem Hof „Da Barn“ von Lynne und ihrer Familie. Er liegt nur zwei Kilometer von Hobbiton entfernt, die Beschreibungen auf Campermate waren ausnahmslos gut und es gibt Tiere zum streicheln. Und: sie bietet Abendessen und Frühstück an. Perfekt für uns.
Lynne begrüßt uns herzlich und stellt uns ihre Tiere vor, insbesondere Lucky das zahme Schaf. Es gibt hier eine ganze Herde Schafe, zwei Kater, eine Kuh und Hühner… Während Hanna wie ein Hütehund die Schafe hin- und hertreibt, fangen Grit und ich an, die Taschen zu packen. Dabei kommen Fragen auf wie „Was darf man nach Deutschland einführen?“ und „Und bis zu welchem Warenwert?“ Letzteres beantwortet Google mit knapp 1000 € (430€ Erwachsene, 175€ Kind; von Kanada hatten wir noch 700 € im Kopf). Wir rechnen unsere Kassen-Bons der Käufe auf und bleiben deutlich drunter. Nach gut zwei Stunden ist das meiste in den Taschen verstaut. Der Rest kommt morgen rein.
Dann klopft auch schon Lynne an die Wohnwagentür: „Essen ist fertig.“ In ihrer Garage hat sie einen Tisch liebevoll hergerichtet, eine Neuseelandfahne hängt im Hintergrund und eine Heizung hat sie extra für uns hingestellt. Ein schönes, passendes Ambiente für unseren letzten Abend. Wie in einem Restaurant bringt sie aus der Küche das frisch zubereitete Essen: Hähnchen mit gedünstetem Gemüse und Süßkartoffeln. Irre lecker. Und zum Nachtisch einen Apple-Feijoa-Crumble mit Schlagsahne. 😋 Puhhhh: in der ganzen Reise nicht so viel gegessen…
Bei Kaffee und heißer Schokolade kommen wir ins Gespräch. Ihr Mann hat jahrelang als Industrielackierer gearbeitet und hat sich seine Atemwege damit kaputt gemacht. Vor sieben Jahren haben sie sich mit einem Reinigungsservice selbständig gemacht, der keine Chemikalien verwendet. Es läuft gut und sie hofft, dass der Enkel eventuell mal übernimmt. Als zweites Standbein lassen sie Camper auf ihrem Grundstück übernachten (nur 60% des Preises erhält sie, wenn man über Campermate bucht 🙄 ) und bieten zusätzlich Mahlzeiten an. „I love my campers!“ Das merken wir.
Ein schöner Abend endet mit einem vor Aufregung völlig aufgedrehtem Kind… Sie freut sich so auf ihre Freunde… und vor lauter Vorfreude-Erschöpfung – ratz ist sie nach einem Kapitel Ronja Räubertochter eingeschlafen.